Mißbrauch und Selbstmorde

In der Familie der Klientin gab es viele Selbstmorde. Auch sie kennt das Gefühl gut, sich dieses Hintertürchen in der Vorstellung immer offen zu lassen - wenn es zu schlimm, kann ich ja gehen, mir jederzeit das Leben nehmen. Die innere Frau der Klientin ist deshalb ganz weiß, ohne Vertrauen. Über den Weg von mehreren Symbolbildern gelangt die Klientin schließlich zum sexuellen Mißbrauch durch ihren Opa. Sie konfrontiert sich intensiv mit dieser Thematik und kann schließlich wahrnehmen, dass sie durch diesen Schmerz durchgehen will und dass genau diese Entscheidung das volle Ja zum Leben beinhaltet - ohne Hintertür.Th: - führt Klientin am Ende der Tiefenentspannung die Treppe hinunter - Schau, was du wahrnimmst.

Kl: Schon wieder ‘ne Leiche.

Th: Sag ihr doch mal "hallo"!

Kl: - lachend - Die Treppe erinnert mich an das Haus meiner Großeltern, unten ist auch Wasser. Als ich im Dezember schon mal eine Session hatte, kam da diese Wasserleiche. Ich glaube, das ist meine Großtante, die Schwester meiner Oma. - die sich tatsächlich im Wasser ertränkt hatte - Die hat noch einen Strick um den Hals mit dem Stein dran, und hat ihr schwarzes Kleid an. - atmet tief durch.

Th: Sprich mit ihr, sag ihr, was du ihr sagen möchtest.

Kl: Ich kann nicht verstehen, wie man sich selber ertränken kann. Ich kann euch Leichen nicht mehr sehen.

Th: Wie reagiert sie?

Kl: Sie sagt, dann schau mich doch nicht an, das ist doch meine Sache.

Th: Aber sie schwimmt in deiner Innenwelt herum.

Kl: Hm! Ja.

Th: Mach ihr mal Beine, dass sie wieder aufsteht. Oder frag sie, was sie dir zeigen will. Da gibt’s bestimmt einen Hintergrund.

Kl: Sie sagt: Anja, wir saßen gestern (in der letzten Session) noch in der Kutsche in Italien, und dann bist du auf einmal zu deiner Mutter gesprungen. Und das war ja auch wichtig, aber ich bin auch noch da. - atmet tief - Ihr Mann, der Onkel Egon, steht an ihrem Grab, ist schon ganz dünn vom Krebs, muss gestützt werden. Bleich. Ich sag zu ihr: Guck dir das mal an. Der hat noch drei Wochen zu leben. Du kannst nicht mal die drei Wochen abwarten.

Th: Was löst das aus bei dir?

Kl: Im Moment fühle ich nix. - Sie soll sich den Mann ansehen, schauen, ob sie’s mehr zur Großtante oder deren Mann zieht. - Der Mann tut mir leid, die Frau tut mir nicht leid. - Sie soll mit ihm direkt sprechen. - Das tut mir richtig leid wie du hier stehst, du stehst vorm Tod, und nun wird dir noch von der eigenen Frau dieser Schock versetzt. - Sie soll horchen, was er sagt. - Er schweigt. - Bitte sag was dazu. Ich stell mich jetzt mal neben ihn, kannst es auch leise sagen, wenn du keine Kraft mehr hast zu reden. Er schweigt. Du bist so krank, weißt gar nicht mehr, was du sagen sollst. Jetzt sagt er, ich hab mit meinem Leben abgeschlossen, kämpf nicht mehr drum.

Th: Was macht das mit dir?

Kl: - fragt den Mann: Ist es denn weniger schlimm jetzt? Sagt er "ja". Komisch!

Th: Wenn du’s nicht verstehst, frag ihn. Vielleicht liegt eine Weisheit oder ein Wissen drin.

Kl: Er sagt: "Wir müssen ja alle sterben. Sie ist eben früher gegangen." - Und wie kommst du damit zurecht, dass sie es selber gemacht hat? Jetzt stutzt er. Ich hab das Gefühl, deine abgeklärte Haltung, als ob du schon im Jenseits wärst, steht nicht auf festem Boden. Er sagt: Stimmt, ich glaub, ich hab Wut. Jetzt fängt er an, mit der Axt auf dem Sarg da rumzuhacken.

Th: Willst du ihm helfen? Das muss ja was mit dir zu tun haben, wenn er da drauf hackt.

Kl: Soll ich schon wieder loshauen?! - Die Therapeutin ermutigt Klientin, es zu tun und spielt dramatische Musik ein. Sie schlägt mit dem Schlagstock. -

Th: Mach einen Ton dabei!

Kl: Scheiß Särge, ich kann sie nicht mehr sehen - dabei bleibt sie in Ausdruck und Lautstärke jedoch sehr zurückhaltend.

Th: Zeig mal, was in dir steckt. Hol sie mal alle her, alle Selbstmörder in deiner Familie! Bleibe da, erlaube Gefühle, lass sie alle der Reihe nach da stehen, Spur, wie sich’s anfühlt.

Kl: Ich muss erst mal das Tante Marga da rausholen aus dem Sarg. - okay - Die soll das auch sehen.

Th: Sag´s ihr.

Kl: - lachend - Jetzt hackt der Onkel den Sarg auf. - schlägt und lacht abwechselnd - Los, komm dort raus! - schlägt heftiger - Sie ist ganz erschrocken, denkt, huch, was is’n jetzt los. - Los, komm da raus! Sie sagt, sie hat keine Lust. - schlägt heftig weiter - hält dann inne.

Th: Und?

Kl: Jetzt ist sie aufgestanden, ist verwirrt. Die anderen ringsum sind auch er-schrocken. Sie wirkt wie ein Schulmäd-chen. - Kl. schlägt weiter - Sei für deinen Mann da, du treibst ihn in den Tod. -atmet heftig - Jetzt sagt sie: "Was denkst du, was es für einen Mut erfordert, mich selbst zu ertränken." - Soll ich dich auch noch dafür bewundern oder was? Sagt sie: "Na, du würdest das doch nicht fertig bringen!" Ne, würde ich auch nicht! Schöne Art, deinen Mut zu zeigen. Das ist doch kein Mut. - erregt, leicht wütend - Mutig ist, wenn du mit deinem Schmerz, dass dein Mann stirbt, zulässt.

Th: Bringe die beiden mal zusammen, schieb sie zueinander!

Kl: Onkel Egon sagt: "Bitte hilf mir doch dabei. Lass mich jetzt nicht einfach im Stich." - längere Pause, Stille - Die will wieder in den Sarg rein. Ich glaub du spinnst, bleibe jetzt hier!

Th: Kennst du das von dir? Da rein wollen und fertig? - Klientin bejaht - Lass dich mal von dieser Energie führen. Guck mal, in welche Situation aus deinem Leben sie dich hinführt!

Kl: - reckt und streckt sich - Dass ich jederzeit sterben kann wenn ich das will, hat mir oft geholfen, weiter zu leben. - jetzt nachdenklich - Doch, doch, wenn’s ganz schlimm kommt, kannst du dich immer entscheiden, nicht weiter zu leben, sagte ich mir. - nun kräftiger in der Stimme - Ich muss ja nicht alles durchmachen, kann immer Schluss machen!

Th: Das haben sie dir gezeigt.

Kl: Stimmt! - atmet mehrmals tief - Das stimmt! Da brauchte ich mich nie richtig fürs Leben entscheiden.

Th: ... und dich nie richtig einlassen. Einlassen heißt ja, bedingungslos da-sein.

Kl: Hm! - atmet wieder ganz tief durch - ...

Th: Hol mal den Anteil in dir hoch, der da keinen Bock hat, der sich nicht einlassen will.

Kl: Da ist jetzt dauernd so’n Bild, was mir wieder einfällt und was ich früher oft hatte: Ich liege im Sarg, schon in der Erde. Es ist das Begräbnis, und oben stehen die alle und meine Eltern weinen. - atmet kurz durch die Nase aus - .

Th: Steig mal ein in das Bild jetzt!

Kl: Meine Eltern weinen beide, ich denke, ich bin ja so ganz hohl, weil ich ja schon tot bin. - Sie soll es ihnen direkt sagen. - Ich denke, sie lieben mich. - Ich meine, dass ihr mich liebt. Sie sagen: "Ja natürlich!". - atmet tief - Jetzt bin ich plötzlich wo ganz anders. Ich wollte mir mal die Pulsadern aufschneiden, dachte, ich wäre dann ganz weiß, wie Schneewittchen. Meine inneren Frauen sind alle so weiß.

Th: Hol doch mal deine inneren Frauen und frag sie, ob’s diesen Aspekt noch immer gibt, der nicht leben will!

Kl: Also ich liege jetzt in der Badewanne, und die kommen. Sie sagen: Da ist immer noch die große Angst und dieser Schmerz da. Ich sag zu denen: Ja, heute will ich mich doch gar nicht mehr umbringen. Aber der Schmerz wird immer häufiger und größer. Wenn ich das nicht schaffe, kann ich keine Beziehung mehr mit einem Mann leben, weil es mir so sehr weh tut. Und dann gehe ich ins Frauenkloster. Da sind diese ganzen Bilder nicht, nur Frauen. Ich will doch gar nicht mehr sterben. Jetzt sagen sie: "Anja, ist zwar schon ein Fortschritt, aber im Prinzip ist es dasselbe, es ist der Rückzug".

Th: Ja! Schau doch mal, wovor du Angst hast!

Kl: Ich habe zum Beispiel Angst, dass ich schon älter geworden bin, keine Frau für einen Mann bin.

Th: Liebst du dich selbst? Wenn du darauf wartest, dass andere dich lieben, bist du immer abhängig davon. Weil die Quelle nicht in dir ist. Deshalb die Frage, liebst du dich selbst?

Kl: - lange Pause - Wahrscheinlich nicht. Wenn Frauen verblühen, verduften die Männer.

Th: Dämlicher Spruch!

Kl: Ja, find ich auf. Aber das ist doch in unser aller Köpfe drin. - stöhnt lang - ...

Th: Lass mal deine inneren Frauen auftauchen, sprich sie auf die Selbstliebe an, und frag, wo du das Vertrauen in dich verloren hast. Lass dir zeigen, wo du dir die Hintertür geschaffen hast.

Kl: Bitte zeigt mir, wo ich mir die Hintertür geschaffen habe! Hm. Keine Ahnung. - wirkt niedergeschlagen, monotone Stimme - Es kommt so ein Bild. Das kenne ich schon. Ich bin neun, gehe mit meiner Mutter eine Straße entlang, sage zu ihr: Geh doch mal mit mir zum Psychologen oder sowas. Ich muss immer an Selbstmord denken. Da war ich erst neun! Meine Mutter hat so reagiert: Was is’n das für Unfug.

Th: Sei mal in deinem Körper damals, geh mal da rein und sprich direkt mit ihr.

Kl: Mutter, ich muss so oft an Selbstmord denken, geh mal mit mir zum Psychiater! Sie ist ganz erschrocken jetzt und bleibt sofort stehen, geht so auf meine Höhe mit ihrem Gesicht und sagt: "Kind, was sagst du denn da?" - Ich weiß auch nicht, aber es bedrängt mich so. Weiß auch nicht, woher das kommt. Ich bin doch noch so klein. - schluckt - ...

Th: Nicht runterschlucken, lass es da sein!

Kl: Da kommt sowas, was ich zu meinem Hund sage: Ich brauche deine Hilfe, du musst mich beschützen. Ich hab so ein schreckliches Gefühl, als ob ich ein toter Gegenstand wäre, den Männer benutzen und einfach wegschmeißen können. Wie so’n Taschentuch.

Th: Lass mal deinen Vater dasein und sag’s ihm.

Kl: In mir ist eine riesengroße Angst, dass ein Mann mich einfach nur so benutzt, als wenn ich nur ein Gegenstand wäre, und mich in den Abgrund schmeißt danach.

Th: Schau mal, wie dein Papa reagiert.

Kl: Er sagt, ich war das nicht, wer hat das gemacht? Jetzt bin ich endgültig verwirrt. - Sie soll es ihm direkt sagen. - Ich bin verwirrt, weiß ja bis heute nichts, das sind alles nur so Bilder. Hatte mich darauf eingestellt, dass du’s vielleicht warst. Jetzt sagst du, du warst es nicht.

Th: Lass mal den Hund die Fährte aufnehmen! Oder guck mal, welcher Impuls kommt. Nimm den ersten, der kommt.

Kl: Im Moment ist das stärkste Gefühl bei diesem "sie hat ausgedient, jetzt kann sie sich wegschmeißen". Es gibt so viele Frauen, die in dem Alter sind, und ihr Mann sich einfach eine jüngere sucht. Da geht’s total los in mir...

Th: Wütend?

Kl: - atmet tief, mehrfach - Glaube ja, es brennt so in mir. - Die Therapeutin fordert sie auf, sich aufzusetzen, den Schlagstock zu nehmen. - Ich hab auch Angst, dass der Felix mich wegschmeißt. - sie soll ihn auch dasein lassen, neben ihren Vater stellen - Da gehe ich lieber gleich ins Kloster, bevor das passiert.

Th: Bevor du das spürst ... Dann erlaube dir jetzt endlich mal das Gefühl!

Kl: - dramatische Musik wird eingespielt - Ich weiß nicht, was ich mir vorstellen soll.

Th: Schau dir die Männer an, die stehen da vor dir!

Kl: Hm! - wirkt unentschlossen, soll mehr atmen - fängt an zu schlagen, Musik lauter, soll mehr atmen - kurz schreiend: Ich lass mich nicht wegschmeißen - hält nach wenigen Schlägen sofort wieder inne.

Th: Schau mal, wie sie reagieren.

Kl: Sie sagen, eine Frau über 40 ist halt nicht mehr attraktiv, das ist so in der Natur. Weil sie nicht mehr gebärfähig sind, da können wir doch nichts dafür. Das ist Biologie. Warum werden die denn schneller alt als Männer. - schlägt wieder, soll einen Ton dazu machen, mehr atmen, hält nach einigen Schlägen inne - Jetzt sitzt Felix da und guckt Fernsehen.

Th: Was macht das mit dir?

Kl: - zu ihm - Du schmeißt mich weg.

Th: Erlaub’s doch mal, und guck, was passiert.

Kl: Wie er mich wegschmeißt?! - stöhnt kurz, tragische Musik, Kl. fängt an zu weinen, immer tiefer, schmerzvoller, aber eher leise, Musik wird jetzt sinnlich - Er hat mir jetzt gesagt, dass ich zu alt für ihn bin, dass er eine junge Frau haben will. - weint stärker - Ich steig ins Auto und fahr vor einen Baum. - Ich will das nicht mehr mitmachen.

Th: Nimm den Satz, wiederhole ihn mal!

Kl: Ich will das nicht mehr mitmachen! - Aufforderung: weiter - Ich will das nicht mehr mitmachen!

Th: Wiederhole ihn ein paarmal!

Kl: - wiederholt ihn, wird von der Th. immer wieder dazu aufgefordert, ihn noch mal und noch mal zu wiederholen - Ich will das nicht mehr mitmachen! Ich will das nicht mehr mitmachen! Ich will das nicht...

Th: Lass mal ein Bild dazu auftauchen, was du nicht mehr mitmachen willst!

Kl: Wiederholt den Satz jetzt noch mehrmals: Ich will das nicht mehr mitmachen! - fängt dann mehrere Minuten bitter zu weinen an, Th. ermutigt sie dazu: "Weiter!".

Th: Spüre, was du nicht mehr mitmachen willst, lass Erinnerungen aufkommen!

Kl: Wieder dieser Scheiß Walter (ihr erster Freund), ich hol den mal.

Th: Ja, lass ihn da sein jetzt, geh in diese Situation.

Kl: Du wirfst mich da im Bett rum, versuchst´s noch mal von vorne, noch mal von hinten. Er kommt dauernd nicht rein dieses Arschloch, Gott sei dank. Und dann haut er mir eine: "Du bist nicht zu gebrauchen".

Th: Er benutzt dich...

Kl: Ja! - weint wieder, wiederholt: Du bist nicht zu gebrauchen! - weint - Und dann zeigt er mir Aktzeichnungen, die er gemacht hat. Ich weiß nicht, warum er das tut. Aber irgendwas gefällt mir daran nicht. - sie soll´s ihm sagen - So mag ich das nicht. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie mag ich das nicht. Warum zeigst du mir die alle? Ja, sagt er, das sind tolle Frauen, guck mal. Ich sage, ich bin doch neben dir, guck mal. Ich bin zwar noch keine richtige, reife Frau, aber warum wendest du dich nicht mir zu... - kurze Stille - Er sagt: Wieso, was hat denn das mit dir zu tun!?

Th: Findest du die Frauen schön auf den Bildern?

Kl: Weiß ich nicht. Ich denk an mich, denn ich steh neben ihm und bin verliebt in ihn - Das soll sie ihm direkt sagen - Warum zeigst du mir Bilder von Frauen und ich steh hier neben dir und bin lebendig. Behandelst mich, als ob ich gar nicht da wäre. Jetzt dreht er sich zu mir rum und sagt: Ich nehme sehr wohl wahr, dass du da bist. Und er schaut mich so begehrlich an. Der Blick gefällt mir auch nicht. Das gefällt mir nicht, wenn du mich so anguckst.

Th: Ja schau mal, eigentlich möchtest du, dass er dich begehrt. Und wenn er’s tut, kriegst du Angst.

Kl: Ja, weil ich spüre, dass er mich nicht meint. Es geht nur um meinen Körper, er will seine Lust leben.

Th: Die Frage ist, kannst du deine Lust leben, dann würde es ja passen...

Kl: Ich bin doch noch zu jung. Ich habe andere Bedürfnisse, will viel Küssen und so. - Das soll sie ihm direkt sagen - Ich will, dass du mich erstmal viel küsst, mich streichelst.

Th: Guck mal, ob er das will.

Kl: Ich kann mir das nicht vorstellen, dass er überhaupt anders sein kann. Er hat mich so schlecht behandelt, ich will es gar nicht anders mit ihm.

Th: Spüre mal, ob du die Entscheidung klar hast: Das will ich jetzt nicht mit ihm...

Kl: Ja, das habe ich klar.

Th: Dann spüre, ob du dich immer noch wie Fleisch behandelt fühlst.

Kl: - setzt sich auf -

Th: Er will Sex, du willst Liebe. Zwei ganz unterschiedliche Bedürfnisse. Spüre mal, ob das so sein kann. Kannst du das akzeptieren?

Kl: - ziemlich gefasst jetzt - Ich glaube schon. Was ich nicht akzeptiere, dass du mich so abrichten willst. Du kannst ruhig anders sein als ich, aber ich nehme dir übel, dass du mich zu dem zwingen willst, was du willst.

Th: Guck mal, wie er jetzt reagiert.

Kl: Er sagt: Anja, es war halt mal ‘nen Versuch wert. - Aber ich bin doch ein Mensch, behandele mich nicht wie eine Sexpuppe.

Th: Spüre mal, ob das nicht dein Ding ist. Das ist dein Ding, das Gefühl der Gummipuppe. Das muss älter sein, dass Gefühl.

Kl: Das glaub ich auch.

Th: Dann geh zurück auf der Zeitachse!

Kl: Ich glaub, ich komme da nicht mehr hin, weil immer der kommt, und ich weiß, der steht für etwas.

Th: Dann geh von hier aus, schau, wo du hinkommst.

Kl: Da wird es nebelhaft, und es kommen immer so Fantasiebilder. - Die soll sie beschreiben - Zum Beispiel, dass mich Männer an Pfählen festgepflockt haben. Ich bin nackt, und einer kommt, und schneidet mich von oben nach unten auf. Und dann holen sie mein Inneres raus, meine Organe, nähen mich wieder zu, und dann bin ich eine Gummipuppe.

Th: Willst du das so lassen?!

Kl: Nein, dass muss ich jetzt unbedingt ändern. Aber ich bin an diesen Pflöcken gefesselt, was soll ich denn da machen?

Th: Spür’s mal, dass du ausgeliefert bist!

Kl: - Stöhnt - Jetzt kommt ein Bild, die Beziehung zu meiner Mutter. Das ist ein Drache. Der war damals immer im Hintergrund. Jetzt kommt er da auf einmal. Er ist sehr wütend. Da ist ein Holzsteg über das Moor, der Drache stopft das alles rein, weil er zu mir will. Die Männer haben schon die Messer in der Hand, sehen nicht, dass der Drache kommt. Aber ich weiß das. - Kurze Atempause, dann heftige Aktion: Kl. schlägt mit Schlagstock, wird von Th. kräftig unterstützt, hält dann aber inne - Der Drache ist sehr wütend.

Th: Ja, und du auch, komm, weiter!

Kl: - schlägt weiter, schreit dabei -

Th: Mach dich ab, hol dich von den Pflöcken runter!

Kl: - schlägt weiter -

Th: Mach dich ab, dich selbst!

Kl: Geht nicht.

Th: Dann frag den Pflock, wofür er steht!

Kl: Er sagt, du musst das richtige Erlebnis aufarbeiten. - sie soll es dasein lassen, hinschauen - Da ist sofort wieder Nebel.

Th: Erlaube es. Gefühle sind eh da. Mach die Augen auf, schau hin!

Kl: Ich bin bei meinen Großeltern, die Eltern meines Vaters. Mein Opa hat einen ganz dicken Penis, und den steckt er mir in den Mund. - Sie soll atmen - Und er hält mich mit seinen Händen fest. Ich glaube es gar nicht, aber das Bild ist da.

Th: Ja, lass es dasein.

Kl: Ich bin noch so klein, und er hält mich vollkommen fest. Iiiiih! - Sie soll es stärker ausdrücken - Meine Brust schnürt sich zu.

Th: Lass es raus, nimm den Schlagstock, komm!

Kl: - Nimmt den Schlagstock, schlägt zu - Nimm deinen Pimmel raus! Iiiih! - Sie schlägt und schreit. - hält kurz inne...

Th: Ist er raus? Wenn nicht, hau drauf, weiter!

Kl: Weiß gar nicht, wo ich draufhauen soll.

Th: Auf deinen Opa! Nimm dein heutiges Bewusstsein dazu. Hau drauf! Schlag ihn tot in deiner Innenwelt!

Kl: - schreiend - Du alte Sau! - schlägt weiter, sehr heftig, minutenlang - Jetzt liegt er neben mir, aber er lebt noch.

Th: Hol deine Oma dazu!

Kl: Die kommt mit ihrem Messer und will ihn erstechen. Mein Vater steht draußen als Junge und schreit, sie soll es nicht tun.

Th: Hol sie alle dazu, hol sie alle rein! Zeig allen, was dein Opa tut.

Kl: atmet heftig - Und die kleine Anja liegt im Bett und hat wieder diese kohleschwarzen Augen.

Th: Geh in sie hinein! Und zeig als die kleine Anja jetzt allen, was dein Opa tun will.

Kl: Mein Vater ist da aber. Ich sage zu ihm, du bist doch selber noch ein Junge, eigentlich darfst du sowas noch gar nicht sehen. Viel zu schlimm für Kinder.

Th: Hol deinen Vater als Erwachsenen dazu. Der soll mal seiner Tochter helfen. Wird Zeit.

Kl: Guck mal, was der Opa gemacht hat. Seine Augen sind so schwarz, weil ich Todesangst habe. Das ist wie in einem Film, wo jemand von hinten kommt und den Frauen ein Messer an die Kehle hält. So ein Gefühl ist das.

Th: Sag es deinem Papa!

Kl: Bitte, helfe mir doch. - Sie soll schauen, was er macht - Er will mich auf den Arm nehmen, mich aus dem Bett hochheben. Und er sieht meine Kohleaugen. Er muss weinen, dass seinem Kind sowas geschehen ist. Ich bin ganz klein, er kann mich leicht auf dem Arm halten. Ich weiß nicht, wie alt ich bin.

Th: Zeig ihm mal, dass da alles dahintersteckt, was du heute angeguckt hast: Selbstmordgedanken, die du nicht zuordnen kannst, immer eine Hintertür lassen, wie ein Stück Fleisch behandelt werden, Angst, dass Felix dich verlässt. Das steckt da alles dahinter, in der Folge.

Kl: Guck dir das mal an, was da alles entstanden ist. Er kriegt Wut auf seinen Vater. Er steht zu mir, und das tut ihm so leid.

Th: Was tut ihm leid?

Kl: Also mein Vater gibt in dem Moment diese komische Männer-Solidarität auf. Er kann sehen, wie entsetzlich das ist. Das ist ein schwieriger Konflikt für ihn. Er muss sich entscheiden: Seine Tochter oder sein Vater. Er entscheidet sich für mich, gegen seinen Vater. Und er sagt zu ihm: Ich glaube, du hast das auch mit deiner Tochter gemacht. Also er meint damit seine Schwester. Deswegen ist auch die Oma mit dem Messer gekommen.

Th: Was passiert aus der Situation?

Kl: Meine Tante ist da jetzt auch da, sagt, das stimmt. Der hat das mit mir auch gemacht, deswegen lass ich mir heute immer noch alles gefallen von Männern.

Th: Guck mal, was ihr machen wollt.

Kl: Hm! Ich will, dass mein Vater mich da wegbringt. Bitte bringe mich doch weg von hier. Sagt er: Ich schaffe dich jetzt nach Hause.

Th: Was macht ihr mit dem Opa, guck mal.

Kl: Tja. Der steht da total, wie so ein Tropf.

Th: Klär es noch mit deinem Opa!

Kl: Ich bin so klein, und du so stark gewachsen. Wie kannst du so etwas tun, mit einem so kleinen, zerbrechlichen ...

Th: Wie reagiert er darauf? Hat er etwas kapiert?

Kl: Der macht das nicht wieder, guckt total beschämt.

Th: Dann geh mit ihm noch mal vor die Situation, wie du da im Bett liegst. Und dann schau mal, was passiert!

Kl: längere Pause - Mein Schutzengel ist jetzt bei mir. Mein Hund hat sich auch neben mich gelegt. Ich spüre seine Wär-me, rieche sein Hundefell. Ich beobachte erstmal, ob der Hund misstrauisch wird. Aber der ist ganz friedlich, kuschelt sich an mich.

Th: Dann guck mal, was dein Opa macht.

Kl: Der denkt, ich schlafe schon. Und er hat das Fenster aufgemacht und guckt auf die Straße. Das hat er immer gerne gemacht.

Th: Er lässt dich in Ruhe? - Klientin bejaht. - Wie fühlst du dich?

Kl: Holt tief Luft - Ja, es ist gut. Ich hab keine Angst.

Th: Dann gehe jetzt noch mal zur Frau am Pfahl.
Kl: Die ist jetzt oben, auf dem Holzsteg über dem Moor. Der Drache ist da, und er nimmt sie auf seinen Rücken.

Th: Ja, und dann lass noch mal deine Verwandten alle auftauchen, die du vorhin hattest am Grab. Die ganzen Selbstmörder.

Kl: Die Großtante liegt wieder im Sarg, der Sarg ist auch wieder zu. Und ich sage zu ihnen, ich will versuchen, durch die Schmerzen durchzugehen.

Th: Nicht versuchen, tun.

Kl: Ist aber noch schwer.

Th: Ich weiß. Es gibt aber keine andere Möglichkeit, lebendig zu sein.

Kl: Ich will durch die Schmerzen durchgehen, ja, ich will’s. Kommt jemand und sagt: Es ist doch gar nicht so, dass ich immer weggelaufen bin. Es gibt doch viele Freunde die sagen, es ist toll, wie ich immer durch alles durchgehe. Es ist beides.

Th: Der Teil ist auch in dir, du bist ja schon im Leben. Guck mal, ob du deine Hintertür noch brauchst.

Kl: Ich hab kein eindeutiges Nein, ich spüre, es gibt da noch einiges zu ma-chen. Aber ich habe schon viel gemacht, bin an den Schmerz rangekommen, so nah wie noch nie.

Th: Bist du denn bereit, weiterzugehen?

Kl: Ja. Wenn ich da nicht weiter dran arbeite, lass ich meine Hintertür weiter. Das "ja" bedeutet, durch den Schmerz durchgehen.

Th: Guck mal, was deine Verwandten dazu sagen.

Kl: Die sagen: Ja, mach’s besser als wir. - Sie lächelt erleichtert.

Th: Spüre mal, was dein Impuls jetzt ist.

Kl: Mein Vater hat mir inzwischen ein Bett gekauft. Wir sind zu Hause, und er legt mich da jetzt rein. Ich sage, ich hab jetzt einen Schutzengel. Er sagt: Ich werde dafür sorgen, dass dir sowas nie wieder geschieht. Ich sage: Ich habe aber immer noch so schwarze Augen. Da sagt er: Ja, das kann noch nicht so schnell weggehen. Das braucht noch Zeit.

Th: Spüre mal, was du brauchst.

Kl: Ich spüre sehr deutlich, dass mein Vertrauen weg ist. Dass ich ihm gerne glauben möchte und irgendwie auch glaube. Aber wenn jetzt meine Mutter zum Beispiel kommt ... - verwirrt - ... dass ihr mich beschützen wollt ...

Th: Frag sie!

Kl: Ich habe kein Vertrauen mehr. Ich bin ganz tief in mir drin. Ich habe noch alle meine, so meine Haut und meine Ohren und meine Nase und meine Augen und so, ich kriege alles mit. Aber meine Seele hat sich auf einen Punkt zurückgezogen, ganz innen.

Th: Spüre mal, ob du den Mut hast, dass sie sich wieder im ganzen Körper verteilt.

Kl: Den Mut?

Th: Den Schritt ins Leben zu tun, dass deine Seele wieder ihren Raum kriegt.

Kl: Spricht sehr leise - Das ist schwer, die Brust ist wieder ganz eng.

Th: Du hast dich irgendwann entschieden, zuzumachen. Kannst du es wieder aufmachen?

Kl: Holt tief Luft - Dauernd sehe ich jetzt das Bild von vorhin, wo ein Mann einer Frau so den Mund zuhält und ihr ein Messer an die Kehle hält. Das kommt dauernd dazwischen, das hindert mich. Und ich frag jetzt meinen Vater: Meinst du denn, dass sowas noch passieren kann? Ihre Augen sind so aufgerissen, vor lauter Entsetzen. Ich habe Angst, dass mir das wieder passiert und deshalb kann ich nicht mehr vertrauen.

Th: Hm! Nur, wenn du die Angst dasein lässt, es erlaubst, kann dein Vertrauen wieder wachsen.

Kl: Meinen Vater hat’s total erschüttert, das zu hören. Er weint. Nur ich kann nicht weinen darüber, dass das so ist.

Th: Ja, das ist es. Das sitzt noch drin, und solange das nicht rausgeht, wird sich da wahrscheinlich auch nichts verändern.

Kl: Ja, ich glaube, das geht heute auch nicht mehr. Ich komme wieder.

Th: Da geht’s weiter. Die Verzweiflung ist noch nicht raus über das, was passiert ist.

Kl: Zum Vater - Es rührt mich so, dass du darüber weinen kannst. Ich hoffe so, dass ich auch darüber weinen kann. Aber das geht noch nicht. - Die Therapeutin empfiehlt ihr, bald die nächste Sitzung zu nehmen. Klientin bejaht und meint: Aber ich kann schon wieder durchatmen.

Th: Spüre mal, was du jetzt brauchst.

Kl: Mein Vater soll mich doch mal ganz fest in die Arme nehmen, mich nicht so alleine da im Bett liegen lassen. Ich brauche das, so ganz umhüllt in seinem Arm zu sein. Und er macht das weiter und kann gar nicht aufhören zu weinen. Als wenn sein Herz gebrochen wäre. Und meine Mutter kommt auch dazu, sie haben mich so in ihrer Mitte. Ich merke, dass ich mich fallen lassen kann. Im Moment noch nicht, aber ich spüre, dass es dahin geht. Ich fühle mich wärmer. Der Schutzengel ist auch da.

Th: Wenn du willst, lade doch alle die ein, die hier eine Rolle gespielt haben in der ganzen Woche. Alle, die du jetzt um dich haben möchtest. Lass sie bei dir sein.

Kl: Der Schutzengel tanzt. Und Felix kommt dazu, will mich im Arm haben.


Bei Musik genießt sie noch eine Weile dieses vorerst abschließende Bild.


Synergetik
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Zuletzt aktualisiert am: 12-Apr-2007 20:48
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